Kein Verlust, sondern ein Neustart
Früher hätten die Menschen geglaubt, ein böser Geist sei in ihren Körper gefahren. Heute sprechen wir von Hormonmangel, von Alter, das "nichts für Feiglinge" ist. Wir fassen die Wechseljahre als Verlust auf – der Körper verliert an Jugend, an Kraft, an Fruchtbarkeit. Doch was wäre, wenn das nicht die ganze Wahrheit ist? Was, wenn wir nicht nur verlieren, sondern auch gewinnen?
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird ein völlig anderes Bild gezeichnet. Während der westliche Blick oft auf dem Verlust verharrt, spricht die TCM davon, dass der Körper in dieser Phase etwas gewinnt: Energie, die zuvor in Menstruation und Fortpflanzung geflossen ist, steht jetzt für uns selbst bereit. Jing und Xue – Begriffe, die zunächst fremd und exotisch klingen, beschreiben diese Kraftreserven. Anstatt sie weiterhin für die Fortpflanzung zu verbrauchen, kehren sie nun quasi zu uns zurück, stärken den Geist und das Selbstbewusstsein.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht.
Doch während wir in der westlichen Medizin oft nur die Symptome bekämpfen, geht es in der TCM darum, den Körper als Ganzes zu betrachten. Kleine Störungen, die sich im Laufe des Lebens ansammeln – ein empfindlicher Magen, Stress, alte Verletzungen – all das wird in dieser Zeit sichtbarer. Der Körper zeigt uns, wo wir hingucken müssen. Und plötzlich wird klar: Es sind nicht die Wechseljahre selbst, die das Problem sind. Es sind die Altlasten, die wir mit uns herumtragen.
Je älter wir werden, desto mehr hat unser Körper durchgemacht. Doch wie ein alter Freund, der uns lange begleitet hat, zeigt er uns nun, was wir verändern müssen, um die nächsten Jahre kraftvoll und gesund zu leben. Das Bild, das TCM von dieser Lebensphase zeichnet, ist kein Bild des Verlusts. Es ist eines der Transformation.
Vielleicht ist das der Schlüssel: die Wechseljahre nicht als Ende einer Ära zu betrachten, sondern als Beginn einer neuen. Ein Anfang, der seinen ganz eigenen Zauber hat. Ein Neuanfang, der uns – wenn wir genau hinsehen – viel mehr gibt, als er uns nimmt.